Reiner Flassig
Wenn Steine rollen...

Fachbegriffe (3) Porzellankeramik wird hier am 15. Oktober 2024 erscheinen


 

Flächentechnik und Ersehen
Kostenfreier Download
Fachbegriff-2.pdf (2.33MB)
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Veröffentlicht am 13. September 2024


Steinmetz-Fachbegriffe (1)*: Werkstein, Naturstein, Platte, Grabstein, Naturstein, Naturwerkstein
Der historisch überkommene Begriff Werkstein erfährt neuerdings wieder Bedeutung, u.a. auch da das Steinmetzgewerk verstärkt Werksteine am Bau - aus unterschiedlichen Überlegungen - verwenden will. Der Begriff Werkstein soll hier nachfolgend kurz dargestellt, begrifflich erläutert und gegenüber anderen Begriffen abgrenzt werden.

DIN 18332
Entsprechend der DIN 18332 "Naturwerksteinarbeiten" sind Natursteine unter einer Stärke von 8 cm als Platten und über 8 cm Stärke als Massivarbeiten definiert. Massive Arbeiten und Platten herzustellen, ist „Werksteinarbeit“, die sich grundlegend im technischen Sinn nach Weich- oder Hartgestein unterscheidet. Dies gilt sowohl für Hand- als auch Maschinenarbeit. 

Werksteine
Werden alle Flächen eines Naturstein-Quaders bearbeitet, sprechen Steinmetze vom „allseits bearbeiteten Werkstein“. Bei einem Werkstein gibt es (siehe Skizze) ein Haupt (1) und ein Hinteres Haupt (2).  Eine Fläche wird Lager (3) und eine weitere Oberes Lager (4) genannt. Die Flächen werden als Stoß bzw. Stoßfuge (5, 6) bezeichnet. Eine Natursteinmauer wird als „zweihäuptig“ bezeichnet, wenn beide Mauerseiten freistehen und als „einhäuptig“, wenn eine Mauerseite gegen das Erdreich stößt.

Bei freistehenden Werksteinen werden die sogenannten "Stoßfugen" oft Köpfe genannt. Diese Bezeichnung hat sich verschiedentlich durchgesetzt, ist aber nicht widerspruchsfrei, weil bei Grabsteinen die oben liegende Fläche auch Kopf genannt wird. Des Weiteren hat sich bei den Fensterbänken die Bearbeitung Kopfbearbeitung durchgesetzt. Gemeint ist die linke und rechte polierte Seite, die bearbeitet seitlich hervorragt.

Bei einer Schichtenmauer sind die Lager- und Stoßfugenflächen bis zu einer Tiefe von 13 bis 15 cm und beim Quadermauerwerk in Gänze bearbeitet. Die nicht sichtbaren Flächen eines Werksteins im Mauerwerk können auch lediglich eingeebnet sein. Dies gilt insbesondere für die Flächen im Inneren von Bauwerken, die später verputzt werden. Um die Haftung zwischen den Quadern zu verbessern, können Fugenflächen mit einem Spitzeisen aufgeschlagen werden. Bruchsteine oder Lesesteine sind keine Werksteine, denn hier werden lediglich die Lager vor dem Einbau gering eingeebnet, falls dies erforderlich ist.

Den oberen Abschluss einer freistehenden Mauer bezeichnet man als „Mauerkrone. Diese "Krone" verhindert das Eindringen von Regen weitestgehend und sichert die Mauerfestigkeit langfristig. Eine Mauerschräge, die Neigung einer Natursteinmauer, nennen Steinmetze „Dossierung“ oder „Anlauf“.

Grabstein
Bei Grabsteinen handelt es sich ebenfalls um Werksteine, allerdings wurden die Flächenbezeichnungen entsprechend praktischen Gesichtspunkten im Laufe der Zeit angepasst.

Bei den Grabsteinen wird das ursprüngliche „Haupt“ des Mauer-Quaders als (siehe a) Ansichtsfläche bezeichnet; das „Hintere Haupt“ wird zur Rückseite (ohne Angabe). Die „Stoßfugen“ werden zu b) Nebenseiten genannt. Das „Obere Lager“ wird zum c) Kopf. Das ursprüngliche „Lager“ erhält die Bezeichnungen d) Standfläche oder Standfuge.

Platte
Werksteinarbeit kann sowohl händisch als auch maschinell ausgeübt werden. Dies gilt auch die Plattenarbeit, denn alle Seiten sind maschinell oder selten händisch bearbeitet.

Naturstein
Die populäre Verwendung des Begriffs "Naturstein" steht obigen Überlegungen nicht entgegen, da dieser in der Alltagssprache und meistens im kommerziellen Zusammenhang verwendet wird. Naturstein als Begriff bleibt in der Fachsprache undefiniert. Im kommerziellen Gebrauch wird dieser Begriff Naturstein eher als Ober- bzw. Sammelbegriff für alle Natursteinsorten benutzt.

Naturwerkstein
Der Begriff Werkstein benutzten im deutschsprachigen Raum über Jahrhunderte hinweg ausschließlich Steinmetze. Zu beachten gilt: Gesteinsvorkommen, Felsen und Bruch- bzw. Lesesteine werden erst dann zu Natursteinen, wenn eine wirtschaftliche Betrachtung vorliegt. In der oben erwähnten DIN 18332 wird stets der Begriff "Naturwerksteinarbeiten" benutzt. Dieser Begriff ist letztlich eine Tautologie (weißer Schimmel). Generell gilt, dass Werksteinbearbeitung sich lediglich in der Technik nach Hart- oder Weichgestein unterscheiden. Dass andere Stoffe ähnliche Eigenschaften, wie die Natursteine (Kunststein, Beton, Quarzkomposit, Porzellan- und Glaskeramik. etc.) haben, die sich dann auch mit Werkstein-Technik bearbeiten lassen, steht dabei außer Frage.

Die Verwendung des Begriffs "Naturwerkstein" macht im kommerziellen Geschehen durchaus Sinn, da sich damit Natursteine gegenüber Betonwerkstein und anderen "Kunststeinen" abgrenzen lassen. Sicherlich hat in der heutigen Zeit die Verwendung "Natur" besondere Bedeutung für Menschen und verbessert damit auch das betriebliche Marketing und Image. In der betrieblichen Praxis und Steinbearbeitung kommt der Begriff Naturwerkstein bzw. Naturwerksteinarbeit unter den beschäftigten Steinmetzen sprachlich kaum vor, sondern als "Werkstein" oder "Werksteinarbeit".


Reiner Flassig
Veröffentlicht: 15. August 2024

Algemeiner Hinweis:
* Fachbegriffe werde ich jeweils in der Monatsmitte auf dieser Internetseite veröffentlichen. Später sind sie, nachdem neue Begriffe eingestellt wurden und eine Ausgabe nicht angezeit wird, im Archiv dieser Internetseite abrufbar.

Abbildungsnachweis  zu Fachbegriffe 1: Abbildung zum Werkstein ist aus Ludwig Geißler, Heinrich Pfeil. Technisches Zeichnen für Steinmetze, hrsg. von Reiner Flassig, erhältlich auf Natursteinonline.
Foto zur Stele: Reiner Flassig.

Quelle zum Abschnitt Werkstein:  Stefan M. Holzer “Werkstein und mehrschalige Mauerkonstruktionen”, Seite 21 (PDF).